I r e n e W o n d r a t s c h

Text & Dichtung

Ooleslef

Wenn der Ausdruck nicht den Erwartungen entspricht

 

wondratsch irene ooleslef

Irene Wondratsch
Broschiert, A5
2013
112 Seiten
Verlag Sisiphus
ISBN: 978-3-901960-71-0
Preis: 11,- Euro

Ihr Tintenstrahldrucker, der ein Eigenleben entwickelte, war für die Autorin Anlass, mit ihm in eine literarische Korrespondenz zu treten. Von der bloßen Gebrauchsmaschine wurde er für sie zu einem kreativen Geschöpf, dem sie einen Namen gab: Ooleslef. Statt das Erwartete zu drucken, überraschte er sie mit Zufallsprodukten, die ebenfalls Bestandteil dieses Buches sind und unmanipuliert zur Schau gestellt werden. Sie sind stark fragmentiert, vergrößert oder verschwommen und dadurch inhaltlich verworren wie auch ästhetisch überraschend: Blätter mit »verunstalteten« Texten, die oft nur Satz- oder Wortfetzen oder einzelne Buchstaben erahnen lassen, manchmal auch völlig sprachlos, abstrakt bildhaft sind. In ihrer Rätselhaftigkeit scheinen sie verschlüsselte Botschaften zu enthalten, die viele Möglichkeiten der »Dechiffrierung« zulassen. Diese nutzte die Autorin sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der formalen Ebene auf spielerische Weise. Bei ihrer »Übersetzung« verwendete sie assoziative und serielle Methoden und förderte oft Skurriles, manchmal auch Poetisches zu Tage, wobei das Fragmentarische des Ausgangsmaterials bewusst erhalten blieb.

 

Rezension für das Magazin Buchkultur
Helmuth Schönauer 17/12/13

Ooleslef

Was ist das, ein Seufzer, das Beigeräusch einer Entleerung, eine Fortsetzung von Kafkas Odradek, eine misslungene Eingabe in einer exotischen Suchmaschine – Ooleslef?

Irene Wondratsch erklärt diesen seltsamen Titel noch am Umschlag. "Wenn der Ausdruck nicht den Erwartungen entspricht." Was wie ein Ratgeber für Sprachkompetenz klingt, entpuppt sich als graphisches Kunstwerk fehlgeschlagener Druckaufträge. Und tatsächlich sind die Schlieren, Schraffuren und Überlagerungen neue Botschaften, die entstehen, wenn der Drucker zum Druckbefehl seinen persönlichen Senf als Maschinen-Individuum hinzufügt. In der Grautonmasse an Zeichen und Flächen sind manchmal noch Buchstaben auszumachen, einmal ist der Begriff Alphamännchen zerlegt in seine Ober- und Unterlängen, an anderer Stelle taucht die Berufsbezeichnung "Referentinnendienstl" auf, einmal verglüht der Begriff "hotline" noch ehe er die rettende Seitenkante erreicht hat. Am Ende des Buches ist alles auf Nullen reduziert. Einmal sichtbar gemacht, lässt sich dieser graphische Zustand des Nichts kaum noch bändigen und wabert über das Cover ungebremst hinaus ins Weltall. In dieses Gerüst an Zufälligkeiten, Irrbotschaften und falschen Befehlen sind sogenannte echte literarische Texte eingebaut, denen man aber nicht über den Weg traut, denn sie sind vielleicht ähnlich spontan und wild entstanden wie die Konzepte des außer Kontrolle geratenen Druckers.

"Mein Held bleibt namenlos. Denn: Alle Namen sind schon besetzt. Wie Stühle in einer ausverkauften Vorstellung." (21)

Tatsächlich sind in einem angeschlossenen Probetext alle Namen mangelhaft, weil sie immer eine falsche Geschichte auslösen. Als Hilfskonstruktion bleibt noch Max, da ist wenigstens das X als Unsicherheitsfaktor evident. Auch die Texte erweisen sich der Reihe nach als Irrläufer, ein Märchen bricht in der Mitte entzwei und läuft ohne Sinn aus. Ein Kasperl wird bühnenmüde und geht nur noch selten vor den Vorhang, so sehr die Kinder auch nach ihm rufen. Ein Ministerium verliert das Konzept und bastelt aus Resten von Aussendungen eine Verhaltensrichtlinie für den Weltraum zusammen.

"Bitte nehmen sie ihren Hund online!" (72)
"Nicht essen, nur atmen, mehr aus als ein" – heißt es in einer Anleitung für Trecking zu Yak-Klöstern in dünner Luft. (38)

Die Textsorten in dieser Mustersammlung gehen stets aus dem Leim, selten sind sie für jenen Zweck geeignet, den jemand ursprünglich ins Auge gefasst hat. Allmählich misstraut man als Leser allen Anweisungen und Richtlinien, weil sie stets als semantischer Betriebsunfall entstanden sind. Es gibt offensichtlich keine tragfähigen Konstrukte, die eine Botschaft so zum Verbraucher bringen, wie sie vom Absender gemeint sind.

Ooleslef entpuppt sich als durch und durch österreichisches Handbuch für Sinnverfehlung. Das österreichische Wesen in Bürokratie, Sport und Beziehung ist berühmt dafür, dass es jeweils am Ziel vorbeifährt und sich erkundigt, wie weit es das Ziel verfehlt hat. Der Ausruf für diese Zielverfehlung heißt vielleicht "Ooleslef!"